Evil Wolves
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 Der Sprung

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Hungry64
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BeitragThema: Der Sprung   Der Sprung I_icon_minitimeFr Apr 19, 2013 12:41 am

Sie hatte bereits den halben Weg zum Dach hinter sich als sie sich ihrer Handlung bewusst wurde. Das Schicksal hatte ihr nie besonders gut zugespielt und vor etwa einer halben Flasche Wein kam ihr diese Idee noch absurd vor. Sie dachte an Dave. Er war immer schon wach wenn sie aufwachte. Oft traf ihr Blick direkt den seinen und seine Augen waren jeden Tag das erste was sie sah. Als er vorletztes Jahr auf eine Dienstreise geschickt wurde, stellte er ihr ein Bild von sich auf seine Seite des Bettes. Bei dem Gedanken daran musste sie lächeln. Das war wohl seine größte Stärke. Er brachte sie stets zum lächeln oder gar zum lachen. Irgendwie schaffte er es das Gewicht der Welt von ihren Schultern zu nehmen.
Sie ahnte, dass irgendetwas nicht stimmen konnte als sie vor zwei Monaten aufwachte und er neben ihr lag. Er wirkte so friedlich wie er mit geschlossenen Augen dalag. Ein Teil von ihr wusste es bereits, aber sicher war sie erst als sie mit der Hand zärtlich über seine Wange strich. Sie war eiskalt. Seitdem ist keine Nacht vergangen, in der sie nicht sein lebloses Gesicht gesehen hatte. Sie stolperte über einen Aschenbecher, der auf der Treppe lag. Dave hatte es immer gestört wenn sie rauchte. Sie hielt inne und hob den Aschenbecher auf. Es war wirklich ihrer. Ihr wurde bewusst, dass sie seit Daves Tod nicht mehr geraucht hatte. Sie durchwühlte ihre Handtasche und fand eine Packung Zigaretten. Sie fühlte sich seltsam an. Nach kurzem Zögern öffnete sie die Schachtel. Sie war noch mindestens halbvoll und stank erbärmlich. Sie mussten nass geworden sein. Vielleicht auf der Beerdigung von Dave. Sie wusste es nicht. Sie überlegte kurz die Packung einfach fallen zu lassen, steckte sie dann aber doch wieder in die Handtasche zurück. Nach kurzem Zögern folgte der Aschenbecher. Dave hätte es so gewollt.
Sie ging weiter Richtung Dach. Es regnete. An einem offenen Fenster hatte sich bereits eine Pfütze gebildet, die ihren Weg Richtung Treppe gefunden und die obersten drei Stufen benetzt hatte. Als sie über die nassen Stufen trat dachte sie an Daves Beisetzung. An die finsteren Blicke ihrer Schwiegereltern. Vor allem ihre Schwiegermutter hatte früh deutlich gemacht, dass sie sich für ihren Sohn eine andere gewünscht hätte. Dave hatte es nie gesehen, aber seine Familie schien sie nie gemocht zu haben. Seit Daves Tod zeigten sie ihr das auch. Durch ihre Trauer bemerkte sie zu spät, dass ihr Anwalt, ein Freund von Daves Familie, nicht in ihrem Interesse handelte. So verlor sie den Anspruch auf seine Lebensversicherung und musste ihre gemeinsame Wohnung verlassen.
Von ihrem Ersparten konnte sie sich dieses mickrige Appartement und ein altes Fahrrad leisten. Letzteres stand die meiste Zeit im Keller. Vielleicht wurde es auch gestohlen. Sie wusste es nicht. Und es war auch egal. Mit Dave hatte sie damals viele Radtouren gemacht. Stundenlange Fahrten durch bergiges Gelände waren dabei eher die Regel als die Ausnahme. Anfangs hatte sie sich nur darauf eingelassen um ihn zu beeindrucken. Später erwischte sie sich dabei wie sie Touren für seinen Geburtstag, Valentinstag und viele andere Anlässe plante. Sie dachte an das Strahlen in seinen Augen wenn sie ihm den Streckenverlauf auf der Karte zeigte. Irgendwann hatte er all ihre gefahrenen Touren auf einer großen Karte im Wohnzimmer eingezeichnet. Die Karte füllte die Nordwand zu fast zwei Dritteln aus. Gerne hätte sie sie bei ihrem Auszug mitgenommen, aber Steve, Daves älterer Bruder, hatte sie bereits abgerissen und entsorgt.
Rückblickend war das eigentlich zu erwarten gewesen. Sie drehte gedankenverloren ihren Ehering. So schön ihre gemeinsame Zeit auch war, so sehr fehlte er ihr jetzt. Und sie war sehr schön. Sie fühlte eine Träne über ihre Wange fließen. Es war ungewöhnlich ruhig im Treppenhaus. Herr Malers Fernseher versorgte normalerweise um diese Zeit die gesamte Nachbarschaft mit irgendwelchen obskuren Sendungen über Sport oder dergleichen. Auch das schwedische Pärchen von der dritten Etage schien heute nicht zum Streiten aufgelegt zu sein. Vielleicht waren sie auch einfach nicht da. Als sie versuchte sich an ihre Namen zu erinnern bemerkte sie, dass sie nicht wirklich viel über ihre Nachbarn wusste. Auch das war im Grunde egal. Eigentlich gab es in letzter Zeit nicht viel, das ihr nicht egal war.
Gerne hätte sie sich jemandem anvertraut. Aber außer Dave gab es niemanden, der sich für sie zu interessieren schien. Eine Familie hatte sie nie gehabt. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt und ihr Vater hatte anschließend einen Nervenzusammenbruch und war verschwunden. Die meiste Zeit ihrer Kindheit hatte sie bei Pflegeeltern oder im Heim verbracht. Dave war der erste Mensch, dem sie sich ohne Vorbehalte anvertrauen konnte. Und jetzt war er tot. Sie verspürte einen kalten Luftzug als eine Windböe das Gebäude traf. Ihr Kinn fühlte sich kalt an und sie spürte wie sich ihre kalten Tränen dort sammelten und anschließend zu Boden fielen. Sie dachte an die Zeit mit Dave. Das tat sie in den letzten zwei Monaten nahezu ununterbrochen. Manchmal wurde sie morgens wach und suchte seinen Blick. Es war immer noch ungewohnt für sie.
Manchmal glaubte sie ihn in der kleinen Wohnung sitzen zu sehen. Manchmal streckte sie ihre Hand nach der seinen aus und wurde sich dessen erst bewusst als ihre Hand ins Leere griff. Dave war nie in dieser Bruchbude. Ihre Wohnung hatten sie damals gemeinsam eingerichtet. Von ihren damaligen Möbeln konnte sie lediglich den kleinen Teppich im Schlafzimmer und den kleinen Beistelltisch aus der Diele mitnehmen. Den Rest hatte Daves Familie zurückbehalten. Selbst die Schlösser hatten sie ausgetauscht.
Sie war Ablehnung gewohnt, aber dass Daves Familie sie so offen hasste traf einen Nerv in ihr, der alle vorherigen Leiden schweigend überdauert hatte. Oft redete sie sich ein, dass es nur noch bergauf gehen könne. Dave hätte sie bestimmt aufbauen können. Sie öffnete die Tür, die aufs Dach führte und trat hinaus in den Regen. Das kalte Wasser rann ihr über die Wangen. Sie spürte die Kälte, aber sie machte ihr nichts aus. Sie versuchte sich daran zu erinnern warum sie offene Schuhe anhatte.
Ihr fiel kein Grund ein und sie zog die klammen Schuhe aus. Dave hatte sie ihr zu ihrem Geburtstag geschenkt. Sie zögerte kurz und stellte die Schuhe dann unter das kleine Vordach der Treppenhaustür. Dann ging sie langsam zum Rand des Dachs. Sie blickte in die Ferne. Solange sie denken konnte litt sie an Höhenangst. Dave hatte oft versucht ihr das auszutreiben und sie traute sich inzwischen auch mehr zu als früher. Aber irgendetwas in ihr weigerte sich in diese Tiefe zu sehen. In der Ferne zuckte ein Blitz. Sie setzte sich auf den Rand des Daches. Sie schloss die Augen und ließ sich rücklings aufs Dach fallen.
Sie spürte den Regen auf ihrem Gesicht, wie er ihre Unterschenkel hinunterströmte und von ihren Füßen in die Tiefe tropfte. Bereits in ihrer Wohnung hatte sie den Regen gehört und sich dennoch für offene Schuhe und ein Kleid entschieden. Sie hatte sich seit Wochen nicht mehr schick gemacht. Der Regen trieb ihr den Liedschatten in die Augen und sie drehte den Kopf zur Seite. Sie dachte an Dave und spürte seinen Blick auf ihren Augen ruhen.
Losgelöst lächelte sie und öffnete langsam die Augen. Ihr Blick traf auf zwei leuchtende Augen. Ihr stockte der Atem und sie richtete sich nervös auf. Die leuchtenden Augen waren weiterhin auf sie gerichtet. Sie verließ die Dachkante und näherte sich den Augen. Sie waren grün und erinnerten sie an Dave. Eigentlich erinnerte sie nahezu alles an Dave. Die Augen musterten sie mit einer geduldigen Ruhe. Als sie sich den Augen näherte hörte sie ein leises Fauchen und beschloss sich zu setzen. Sie blickte lange in die leuchtend grünen Augen. Nur wenige sahen sie so geduldig an. Eigentlich nur Dave. Er hatte sie oft so angesehen. Man konnte sich in seinen grünen Augen verlieren. Er liebte es ihr dabei zuzuschauen. Und sie liebte es sich in seinen Augen zu verlieren. Sie sehnte sich die gemeinsame Zeit zurück. Seit Daves Tod war sie jeden morgen enttäuscht alleine aufzuwachen. Oft hielt sie die Augen geschlossen und fühlte seine Nähe. Sie wusste, dass er nicht da war, aber solange sie es nicht sah, glaubte sie seine Nähe spüren zu können. Oft lag sie in ihrer Wohnung und dachte an die gemeinsame Zeit.
Ein Blitz durchbrach die Dunkelheit und versah die leuchtenden Augen mit einer pechschwarzen Silhouette. Der Kater saß nach wie vor da und musterte sie aus seinen geduldigen Augen. Geduld. Das war immer Daves Stärke gewesen. Gerne hätte er Kinder gehabt. Und sie wollte es auch. Aber das Schicksal hatte ihn ihr genommen bevor es dazu kommen konnte. Eine Windböe durchdrang den peitschenden Regen. Irgendwo aus der Ferne drang Donner an ihr Ohr und sie blickte in die Ferne. Als er verklang war der Kater verschwunden. Sie stand auf, richtete ihr durchnässtes Kleid und trat wieder an den Abgrund heran. Sie schloss die Augen, breitete die Arme aus und atmete tief ein. Nachdem sie eine Weile so dastand nahm sie die Arme wieder herunter und setzte sich auf die Dachkante. Sie erinnerte sich dunkel an das Versprechen des Vermieters ein Geländer zu installieren. Oder wenigstens das Schloss an der Dachtür reparieren zu lassen.
Er hat es nie getan. Es schien auch niemanden zu stören. Noch nie ist jemandem hier oben etwas zugestoßen. Und Einbrecher hatten, soweit sie wusste, diesen Eingang auch noch nie benutzt. Ein leises Schnurren riss sie aus ihren Gedanken. Sie spürte eine sanfte Berührung an ihrer Seite. Instinktiv tastete sie nach dem Kater und kraulte sachte dessen Rücken. Der Kater setzte sich an ihre Seite und blicke scheinbar teilnahmslos in die Ferne. Ihre Hand ruhte auf seinem Rücken und sie tat es ihm gleich. Sie wusste nicht wie lange sie so dasaßen. Es war ihr auch egal. Für einen Augenblick fühlte sie sich wie damals, als sie mit Dave auf diesen Berg gefahren war. Es war eine ihrer gemeinsamen Radtouren und sie hatten oben ein Picknick gemacht. Anschließend saßen sie Arm in Arm am Abgrund und sie legte ihren Kopf an seine Schulter. Damals hatte es nicht geregnet. Es war damals aber auch nicht zwei Uhr morgens. Wie zur Bestätigung schnurrte der Kater leise. Ihre Hand zuckte leicht und strich erneut über seinen Rücken. Sie schloss die Augen und ließ sich fallen.
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